Artenvielfalt am Gipfel des Hochgern

Reaktivierung ehemaliger Bergmähder

Bis Mitte der 1960er Jahre wurden die steile Hochgernsüdflanke und die Hasenpoint zur Wildheugewinnung gemäht. Jeder Almbauer hatte einen sogenannten Lahner oder eine Bergwiese, die er neben den Weideflächen mit großem Aufwand bewirtschaftet hat. Auf diesen Bergmähder-Flächen gab es eine enorme Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten. Durch die Aufgabe dieser aufwendigen traditionellen Bewirtschaftung vergrasten, verfilzten und verbuschten die Flächen, einhergehend mit einem Verlust von sehr vielen seltenen Pflanzen- und Tierarten. Um dem entgegenzuwirken, wurde nun ein Pilotprojekt zur Reaktivierung von ehemaligen Bergmähdern in Angriff genommen.

50 Jahre nicht bewirtschaftet

Der 1748 m hohe Hochgern bildet einen Hotspot der Biodiversität in den östlichen Bayerischen Alpen. Im Rahmen eines, von der Regierung von Oberbayern beauftragten Gutachtens, konnten dort 540 Sippen höhere Pflanzen mit über 130 Neufunden nachgewiesen werden. Bei den Untersuchungen wurde ein spezifisches Augenmerk auf Lahnerrasen und Bergmähder gelegt, welche am Hochgern seit mindestens 50 Jahren nicht mehr bewirtschaftet werden. So wurden zur Wildheugewinnung nachweislich bis Mitte der 1960er Jahre die Hochgern Südflanke und der Hasenpoint gemäht. Nach Aufgabe der Mahd wurde der Hang von der Weitalm aus bestoßen und sehr extensiv beweidet. In den letzten Jahren/Jahrzehnten erfolgte keinerlei Nutzung mehr. Durch eine partielle Eutrophierung und Ruderalisierung der Rasen wurden lichtliebende und seltene Arten zunehmend durch wenige Obergräser verdrängt.

Um die vergessene Nutzungsform „Bergmähder“ wieder zu reaktivieren und die Artenvielfalt auf Almen zu erhalten und verlorengegangene Arten wieder zurückzugewinnen, wurde vom Ökomodell Achental, zusammen mit Christian Tegethoff (Almfachberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Rosenheim/ seit 13 Jahren ehrenamtlich auf der Weitalm am Hochgern engagiert) das Projekt „Almen und Bergmähder zwischen Hochgern und Achental“ ins Leben gerufen. Bei der Umsetzung spielen die Landwirte im Achental als Landschafts- und Naturschutzpfleger eine zentrale Rolle. Ohne sie würde die Kulturlandschaft nicht so aussehen, wie wir sie jetzt kennen und schätzen.

Mulchen als Auftakt

Als Auftakt für das Projekt wurde im September 2020 die verbrachte Fläche am Hochgerngipfel gemulcht. Die Umsetzung wurde dabei von Christian Tegethoff koordiniert und geleitet. Zusammen mit dem Landschaftspfleger Stadler wurde mit einem ferngesteuerten Mulchgerät und einem Freischneider die Fläche bearbeitet. Das war notwendig, um den über Jahrzehnte aufgebauten Grasfilz zu beseitigen, damit es möglich ist, die Fläche in Zukunft mit einem Messerbalken zu mähen. Um die vorhandenen Insekten bestmöglich zu schonen, wurde der Mulchtermin so gelegt, dass die Pflanzen bereits verblüht und kaum Insekten vorzufinden waren. In den Folgejahren wird die Fläche im Frühsommer einmal im Jahr gemäht und das Mähgut entfernt. Der Zweitaufwuchs wird im Spätsommer durch eine Nachbeweidung mit Rindern genutzt. Durch die Kombination dieser beiden Nutzungen sollen der Fläche die über die letzten Jahrzehnte aufgebauten Nährstoffe entzogen werden, so dass sich konkurrenzschwächere Kräuter und Gräser wieder etablieren können. Durch den Verbiss und den Tritt der Rinder wird die Bestockung angeregt, so kann sich wieder eine dichte Grasnarbe mit diversen blühenden Kräutern und Gräsern entwickeln. Welche Pflanzen- und Tierarten sich wieder ansiedeln, wird von einem Fachbüro begleitend untersucht, um den Erfolg der Maßnahme zu dokumentieren.

Nicht nur die Reaktivierung der Nutzungsform „Bergmähder“, welche in Bayern kaum noch vertreten ist, stellt etwas Besonderes dar. Einzigartig ist auch, dass für eine Landschaftspflegemaßnahme in Oberbayern ein Transporthubschrauber zum Einsatz gekommen ist. In Österreich oder der Schweiz ist es normal, dass für die traditionelle Bewirtschaftung schwer zugänglicher Bergmähder ein Hubschrauber für den Transport der Arbeitsgeräte und des Wildheues verwendet wird. Die Wanderer am Hochgerngipfel staunten jedenfalls nicht schlecht über die Maßnahmen dieses Projektes. Mit ihnen fachlich ins Gespräch gekommen, fand das Projekt bei allen große Zustimmung, so Tegethoff. Um auch weiterhin Wanderer auf diese Projekt aufmerksam zu machen, wurden zwei Informationsschilder zu diesem Projekt aufgestellt.

Für das Projekt „Almen und Bergmähder zwischen Hochgern und Achental“ tritt das Ökomodell Achental e.V. als Zusammenschluss der neun Achental-Gemeinden als Projektträger auf. Gefördert und fachlich begleitet wird die Maßnahme durch die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt Traunstein. Ab nächstem Jahr sollen zahlreiche weitere Projekte auf den Almen und im Tal umgesetzt werden, um diese schöne Kulturlandschaft weiterhin zu erhalten und zu fördern.

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Fläche am Hochgern vor der Mulchung
Fläche am Hochgern vor der Mulchung ©Tegethoff
Fläche am Hochgern nach der Mulchung
Fläche am Hochgern nach der Mulchung ©Tegethoff
Christian Tegethoff und Sebastian Stadler
Christian Tegethoff und Sebastian Stadler
Transport der Gerätschaften
Transport der Gerätschaften ©Tegethoff
Mulchung der Fläche
Mulchung der Fläche ©Tegethoff