Schleching – Mit seinem markanten Gipfel ist der Geigelstein Anziehungspunkt für Wintersportler aus dem weiten Umkreis, doch er ist auch Lebensraum für zahlreiche seltene Tierarten. Gerade im Winter können daraus Konflikte erwachsen. Im Naturschutzgebiet Geigelstein entwickelt sich aus dem Gegensatz allmählich ein Miteinander – das könnte den Chiemgauer Bergstock zu einem Vorbild im gesamten Alpenraum machen.
„Vor 15 Jahren war das Karl im Winter völlig zerfurcht“, berichtet Wolfgang Selbertinger rückblickend – er ist der zuständige Referent an der unteren Naturschutzbehörde. „Von einer Situation, wie wir sie heute vorfinden, hätten wir damals nur träumen können.“ Gemeint ist damit, dass das Kar südlich des Breitensteins, das sogenannte „Karl“, zur im Winter gesperrten Zone im Naturschutzgebiet gehört. Während in den ersten Jahren nach der Ausweisung des Schutzgebiets die Regelung keinerlei Beachtung fand, sind heute nur noch einzelne Übertretungen feststellbar. Mit anderen Worten: das Karl bleibt jetzt im Winter weitgehend unberührt.
Damit haben die verbliebenen Raufußhühner am Geigelstein vielleicht doch noch eine Chance. Die urtümlichen Vögel – am bekanntesten sind wohl Auer- und Birkhuhn – leben im Winter von ihren Fettreserven. Sie verlangsamen ihren Lebensrhythmus und überwintern versteckt in Schneehöhlen im Latschenbereich. Jede Störung bedeutet für sie auch zusätzlichen Energieverbrauch, im schlimmsten Fall bis hin zum Tod durch Entkräftung. Oft fliehen die Tiere lange bevor der Wintersportler sie überhaupt zu Gesicht bekommt – es entsteht daher leicht der falsche Eindruck, im Gebiet kämen gar keine Raufußhühner vor.
Seit mehr als einem Jahrzehnt findet unter der Leitung der Gebietsbetreuung eine intensive Aufklärung am Geigelstein statt. Von Anfang an wurden alle Beteiligten mit eingebunden – dazu zählen neben den Vertretern der Naturschutzbehörden, der Naturschutzwacht und der Gemeinde Schleching vor allem die Bergsportler von Bergwacht und Alpenverein. Zur verbesserten Akzeptanz hat über die Jahre nicht zuletzt eine Anpassung der Schutzgebietsverordnung beigetragen, in der vormals gesperrte, aber beliebte Abfahrten wieder freigegeben werden konnten.
An der Aufklärung beteiligen sich auch in diesem Winter wieder mehrere Naturschutzwächter und der Gebietsbetreuer. Unterstützt werden sie von der alpinen Einsatzgruppe der Polizei – so fand am vergangenen Sonntag der erste Einsatz dieser Art in der laufenden Saison statt. Bis ins Frühjahr sind immer wieder Beamte vor Ort, um über die Betretungsregelungen aufzuklären und ihre Einhaltung zu überwachen. Nur die strikte Beachtung wird den seltenen Raufußhühnern das Überleben sichern. „An wenigen Orten in den bayerischen Alpen gelingt es überhaupt, einen Ausgleich zwischen Bergsport und Naturschutz zu finden“, resümiert Gebietsbetreuer Stefan Kattari vom Ökomodell Achental. „Der Geigelstein könnte damit zum großen Vorbild werden.“