Agri-PV – ein wichtiger Beitrag zur Energiewende im Achental?
Talkshow mal anders: Experten im Gespräch mit Ökomodell-Vorstandsvorsitzendem Stefan Schneider
Am 19. März lud das Ökomodell Achental zu einem Infoabend zum Beitrag von Agri-PV Anlagen zur Energiewende ein. Obschon es sich um ein ernstes und komplexes Thema handelt, fand der Austausch in lockerer Runde im Frage-Antwort-Format vor vollbesetztem Saal des Wirtshaus D’Feldwies in Übersee statt. Mit Christoph Kellner, zuständig für Energiemanagement im Landkreis Traunstein bei der Chiemgau GmbH, Gawan Heintze und Daniel Eisel als Experten-Duo für Energiepflanzen, Agri-PV-Anlagen und Energiemanagement von LandSchafftEnergie+ am TFZ sowie Franz Obermayer, Landwirt und Betreiber einer Agri-PV-Anlage, konnte das Ökomodell einen breitgefächerten Expertenkreis für die Veranstaltung gewinnen. Gemeinsam mit Ökomodell Vorstandsvorsitzenden Stefan Schneider wurden im Austausch die dringlichsten Fragen und Themen rund um die Energiewende im Achental besprochen. Aufgelockert durch die Anekdoten aus der Praxis des Landwirts Obermayer fand die Veranstaltung großen Anklang beim aufmerksamen Publikum.
Aktuelle Energiesituation & Potenziale im Landkreis Traunstein und dem Achental
Nach einem Einblick in die aktuelle Energiesituation im Landkreis Traunstein und im Achental sowie in den Stand der erneuerbaren Energien durch Christoph Kellner war schnell klar, dass im Achental kein Weg an der Nutzung der Sonnenenergie vorbeiführe.
Schaut man sich die verschiedenen Möglichkeiten der PV-Installationen im Landkreis an, so sind mehr als 90 Prozent der bestehenden Anlagen Dach-PV-Anlagen, wohingegen Freiflächenanalgen weniger als 10 Prozent ausmachen. Zwar sei bei den Dach-PV-Anlagen noch Ausbaupotenzial, allerdings sei es zum einen sehr viel komplizierter, den dort gewonnenen Strom ins Netz einzuspeisen. Zum anderen seien die Kosten 2-3-mal höher als bei der Errichtung von Freiflächenanlagen. Um die Klimaziele zu erreichen, liege das Potenzial ganz eindeutig bei den Freiflächenanlagen: Ausgehend vom Istzustand seien im Ausbau zur Erreichung der Energiewende nur 3-mal so viel Aufdach-Anlagen, aber erheblich mehr Freiflächenanlagen möglich.
Um das Ganze in der Größendimension einmal zu beziffern, warf Daniel Eisel ein, dass wir hier von einer Gesamtfläche von nur 2-3 % der landwirtschaftlichen Flächen in ganz Deutschland sprechen, deren Bebauung zur Zielerreichung der Energiewende ausreichen würde.
Der Gesetzgeber hat daher eigens privilegierte Flächen definiert, in denen seit Januar 2025 auch ohne langwierige Genehmigungsverfahren, aber unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften, Freiflächen-PV-Anlagen errichtet werden können. Gelegen in einem Korridor entlang der Autobahnen oder Bahnschienen können solche Flächen zusätzlich sinnvoll genutzt werden. Dies ist im Besonderen der Fall, wenn auf eine Agri-PV Anlage als Sonderform der Freiflächen-PV-Anlage zurückgegriffen wird. Die Experten im Doppelpack, Biologe Heintze und Ingenieur Eisel, beleuchteten daher den Unterschied zwischen einer Freiflächen-PV-Anlage und der Agri-PV-Anlage. In der DIN SPEC-Norm sei genau festgelegt, welche Kriterien eine solche Anlage zu erfüllen hat. Mit einer gutachterlichen Bestätigung wird demnach eindeutig bescheinigt, ob es sich um eine Agri-PV-Anlage handelt oder nicht.
Franz Obermayer weiß als Betreiber einer Agri-PV Anlage aus der Praxis über die Energieresultate, die (Speicher)Technologien und die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche anschaulich zu berichten. Seine Anlage mit lösungsorientiertem Ansatz war die Erste in dieser Form in Deutschland. Ursprünglich geplant mit dem Hintergedanken, durch senkrechte Paneele einen Lärmschutz vor den nahen Bahngleisen zu generieren, bleibt die Fläche durch diese Installationsweise der Landwirtschaft erhalten. Die Stromgewinnung stellt für den Landwirt eine zusätzliche Einnahmequelle dar. Im Fachjargon von Biologe Heintze gesprochen, erreicht man durch die Kombination von landwirtschaftlicher Nutzung und den Betrieb einer Agri-PV Anlage eine Erhöhung der Landnutzungsrate, die für Landwirte attraktiv sei.
Regionale Wertschöpfung
Um die regionale Wertschöpfung nicht nur beim einzelnen Landwirt zu lassen, erklärten Pastötter und Zollhauser, Vorstände der Energiegenossenschaft Oberbayern Süd/Ost, in der anschließenden Diskussion das Prinzip von Bürgergenossenschaften. Durch den Erwerb von Anteilen einer solchen Bürgerenergiegenossenschaft wird die Finanzierung einer solchen Anlage auf viele Schultern verteilt. Der Gewinn, der durch diese Anlagen erwirtschaftet wird, wird auch wieder an die Anleger ausgezahlt. Neben dem Gewinn sieht er auch in den in den Gemeinden abzuführenden Steuern, der Reinvestition in neue Anlagen und der Beauftragung regionaler Unternehmen weitere Beiträge zur regionalen Wertschöpfung.
Was ist nun die Quintessenz?
Am Ende des Abends war klar: Es führt kein Weg an der Nutzung der Sonnenenergie durch Freiflächen-Anlagen vorbei, um die Energiewende voranzutreiben. Aktuell zahlen wir laut Kellner hohe Summen für Energieimporte und sind im höchsten Maße abhängig. Wind und Sonne schickten hingegen keine Rechnung. Es wäre vermessen, diese Energiequellen nicht zu nutzen. Wir brauchen alle Strom, somit müssen wir uns auch alle an der Energiewende beteiligen und es nicht auf die Verantwortung anderer schieben, fügte Eisel hinzu. Agri-PV-Anlagen seien ein Teil dieser Lösung und ein wichtiger Baustein. Ihr Vorteil gegenüber klassischen Freiflächen-PV-Anlagen sei, dass die Fläche der Landwirtschaft nicht entzogen werde, hob Kollege Heintze nochmals hervor. Dass dies in der Praxis möglich ist, beweist Franz Obermayer mit seiner Anlage und dem Mut zu innovativen Konzepten und Ideen.
Mit Blick auf das Ökomodell resümierte Stefan Schneider, dass wir kleinräumige sozialverträgliche Anlagen brauchen, die sich in unser Landschaftsbild integrieren lassen. Egal ob kleine Hofanlagen einzelner Landwirte, die im Übrigen auch privilegiert sind, oder bürgergenossenschaftlich finanzierte Anlagen. So bleibe die Wertschöpfung in der Region.
Unumstritten bleibt, dass der Ausbau der entsprechenden Netzinfrastruktur und Speichertechnologie notwendig ist, um den gewonnenen Strom auch flexibel nutzen zu können. Hier braucht es zeitnahe Lösungen. Auch in den Ökomodell-Gemeinden ist man sich dieser Problematik schon länger bewusst und sucht nach Möglichkeiten im Ausbau und der Anpassung der bestehenden Netzstrukturen. Denn klar ist, die Energiewende wird nicht durch eine einzelne Anlage gelingen. Es müssen weitere Anlagen im Achental folgen.

