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Veranstaltungsreihe „Sanierung alter Hofstellen“ trifft Zeitgeist

Landwirtschaftlich geprägte Region spiegelt sich in Architektur wider

Das Achental ist seit jeher landwirtschaftlich geprägt. Alte Hofstellen sind ein bedeutender Teil unserer Kulturlandschaft und tragen zur Identität und Geschichte unserer Dörfer bei. Sie erzählen von bäuerlicher Tradition, regionaler Baukultur und handwerklichem Können und haben das Landschaftsbild maßgeblich mitbestimmt. Gleichzeitig stehen viele dieser Gebäude heute leer oder sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Der Erhalt und die behutsame Weiterentwicklung dieser historischen Bausubstanz sind daher nicht nur aus denkmalpflegerischer Sicht, sondern auch im Hinblick auf nachhaltige Flächennutzung und lebendige Ortskerne wichtig.

Am Anfang stand eine Idee

Auf Initiative von Staudachs Bürgermeisterin Martina Gaukler, Wolf Steinert (Sprecher Arbeitskreis Ortsentwicklung, Übersee) und Angelika Maier (Projektmanagerin Energie, Ökomodell Achental) erwuchs in Kooperation mit Kreisbaumeisterin Heidi Wohlmayer (Bauamt, Landratsamt Traunstein) die Idee, diesen besonderen Gebäuden, ihrer Bedeutung und ihren Nutzungsmöglichkeiten mehr Aufmerksamkeit zu schenken und Eigentümer bei der Sanierung stärker zu unterstützen.

Auf offene Ohren stieß man damit auch beim Bauernverband Traunstein (BBV) und entschloss sich in gemeinsamer Zusammenarbeit eine Vortragsreihe zum Thema Sanierung alter Hofstellen zu gestalten. Ziel dieser Reihe ist es, die Bedeutung und vielfältigen Möglichkeiten der Sanierung historischer landwirtschaftlicher Gebäude zu vermitteln, um die Kulturlandschaft im Achental zu bewahren und nachhaltige Nutzungskonzepte aufzuzeigen.

Die vollen Säle beider Veranstaltungen zeigen, dass man damit den Zeitgeist trifft und hier Informationsbedarf besteht, sodass die zahlreich erschienenen Zuhörerinnen und Zuhörer gerne auf Expertenwissen zurückgreifen und sich über Einblicke in gelungene Beispiele aus der Praxis freuen.

Auftakt am 7. Mai mit bau- und steuerrechtlichen Aspekten bei der Sanierung

Trotz der eher trocken anmutenden Materie erschienen am ersten Vortragsabend im Wirtshaus d’Feldwies in Übersee zahlreiche Interessierte, die den kurzweiligen Vorträgen der Referenten, moderiert von Ökomodell Vorstandsvorsitzendem Stefan Schneider, aufmerksam folgten. Kreisbaumeisterin Heidi Wohlmayer und Franz Klauser, Sachgebietsleiter Bauamt im Landratsamt Traunstein, informierten zunächst über baurechtliche Aspekte der Hofsanierung. Wohlmayer erläuterte, wie die Sanierung von landwirtschaftlichen Gebäuden dazu beitragen kann, Wohnraum, Gewerbeflächen oder zusätzliche Einnahmequellen zu schaffen. Dabei betonte sie die Bedeutung des Erhalts der Baukultur und der Ortsbilder, die nicht nur als (hohle) Kulisse für den Tourismus dienten, sondern unverzichtbarer Bestandteil unserer Identität seien.

Im zweiten Teil des Abends beleuchtete Anton Heindl von Treukontax, der Steuerberatungsstelle des Bayerischen Bauernverband Traunstein (BBV), die steuerrechtlichen Aspekte bei Hofsanierungen. Viele Landwirte hätten die Eigenbewirtschaftung aufgegeben und verpachteten ihre Flächen. Die leerstehenden Wirtschaftsgebäude böten jedoch vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, etwa als Lager, Büro, Werkstatt oder (Ferien)Wohnungen. Heindl warnte vor steuerlichen Fallstricken und erklärte, welche Steuerarten bei Umbauten und Nutzungsänderungen zu beachten seien. Eine fundierte steuerliche Beratung sei unerlässlich, um unnötige Steuerbelastungen zu vermeiden.

Nach den Vorträgen hatten die Gäste die Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich individuell beraten zu lassen, was dankend in Anspruch genommen wurde. Die Resonanz war so positiv, dass sich die Organisatoren und Beteiligten schon auf die Folgeveranstaltung freuten.

v.l. Martina Gaukler, Anton Heindl, Stefan Schneider, Heidi Wohlmayer & Franz Klauser

14. Mai – Finanzierung und Best-Practice Beispiele

Am zweiten Abend begrüßte Staudachs Bürgermeisterin Martina Gaukler die Gäste im Heimspiel im Gasthof Mühlwinkl. Zu Beginn der Veranstaltung erfuhren die Anwesenden von Engelbert Pletschacher (VR Bank Unterwössen) und Bastian Starflinger (Bezirksleiter Baufinanzierung (Bausparkasse Schwäbisch Hall) wichtige Aspekte rund um die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten. Hier gehe es immer um individuelle Lösungen. Starflinger unterstrich dabei, wie wichtig jedoch generell die Einhaltung der Reihenfolge bei der Planung einer Sanierung sei – nicht nur bei Hofstellen, sondern auch bei anderen Gebäuden. Das rechtzeitige Konsultieren eines Experten für Energieeffizienz (Energieberater) sowie des Finanzierungspartners (Bank), das Beantragen und Abschließen des entsprechenden Kredits sowie ggf. die Rücksprache mit einem Steuerberater seien unbedingt vor!!! den ersten baulichen Maßnahmen durchzuführen.

v.l. Martina Gaukler, Engelbert Pletschacher, Bastian Starflinger, Josef Lechner, Thomas Pletschacher, Michael Seebauer und Angelika Maier

Oida Knoglerhof – Tradition trifft Moderne

Im Anschluss durfte sich das Publikum über Einblicke und Erfahrungen der Besitzer des alten Knoglerhofs in Schleching freuen. Dieser wurde 2023 aufwändig und hochwertig saniert und seitdem als Ferienwohnungen vermietet. Im Vordergrund stand dabei der Erhalt der Außenansicht des alten Bauernhauses, auch wenn dieses durch eine Aufstockung im Jahr 1965 aus dem Denkmalschutz gefallen war. Der ‚oide Knogler‘ stellt ein gelungenes Beispiel für eine Lösung im Spagat zwischen moderner Innenraumgestaltung und Nutzung bei gleichzeitigem Erhalt der ursprünglichen Architektur dar. Neben der Kirche in Schleching gelegen, ist er aus dem Ortsbild nicht mehr wegzudenken und ein wichtiges Zeugnis der Baukultur. Durch die Wertsteigerung erhoffen sich Thomas Pletschacher und Michael Seebauer nun bei entsprechender Auslastung eine langfristige Deckung der Sanierungskosten durch die Mieteinnahmen. Dass es dabei einen langen Atem braucht und die Entscheidung der Nutzung als Miet- oder Ferienwohnung im Vorfeld wohl überlegt werden sollte, war auch eine wichtige Erkenntnis, die den Zuschauern an diesem Abend vermittelt wurde.

Lechner Holzbau – Leidenschaft und Beruf(ung)

Dem schloss sich auch Josef Lechner von Holzbau Lechner mit seinem Vortrag an. Es sei ein Glücksfall, wenn man im Besitz eines (ehemals) landwirtschaftlichen Gebäudes sei. Hier gebe es bei der Sanierung vielfältige Möglichkeiten, die er mit eindrucksvollen Bildern gelungener Sanierungsprojekte vorstellte. Das Konzept von Ferienwohnungen sei jedoch trotz potenziell höherer Gewinne nicht für jeden geeignet. Es sei wichtig, sich im Vorfeld genau zu überlegen, was man möchte, ob sich die Wünsche mit dem Gebäude vereinbaren lassen, und frühzeitig auch beim Kreisbauamt abzuklären, was grundsätzlich überhaupt möglich ist. Dabei spiele auch die Frage eine Rolle, was man finanziell stemmen kann und was nicht. Authentische Quartiere zu schaffen; eine Erlebnisarchitektur, die ehrlich mit dem Gebäude umgeht, sei das, was ihm wichtig ist. Diese Architektur sei auch der Grund, warum es die Menschen in den Landkreis ziehe und das, was Menschen von der Region erwarten würden.

Auch Lechner, der all seine Pläne noch von Hand zeichnet, verwies auf eine durchdachte Planung im Vorfeld. Am teuersten seien die Maßnahmen, die man übers Knie brechen müsse. Jeder Bauherr lerne etwas dazu, auch wenn mancher mit zwei linken Händen nie eine rechte dazu bekäme. Die Leidenschaft hinter seinem Beruf war im Vortrag spürbar und den Projekten anzusehen. Kleine Seitenhiebe und Nickligkeiten Richtung Bauamt durften da nicht fehlen. Am Ende lobten Josef Lechner und Heidi Wohlmayer aber die gegenseitige Zusammenarbeit und die Konsensfindung zwischen baulichen Visionen und Grenzen. Man könne nur voneinander profitieren.

Lechner kommt angesichts der alten Hofstellen ins Schwärmen. Die Räumlichkeit und Architektur dieser Gebäude sprächen für sich. Da brauche es nicht viel. Die beeindruckenden Bilder belegen das und machten es für das Publikum greifbar.

Fazit – von Visionen und individuellen Lösungen

Die Veranstaltungsreihe verdeutlicht, dass in der landwirtschaftlichen Architektur und den alten Hofstellen viele Potenziale liegen und diese Gebäude es in jedem Fall wert sind, sie zu erhalten. Eine durchdachte Planung, das Hinzuziehen von Experten mit individueller Beratung und von Handwerkern, die ihrem Beruf mit Leidenschaft nachgehen und im Austausch mit den entsprechenden Behörden individuelle Lösungen finden, sind unabdingbar. Klar ist aber auch, wenn der Geldbeutel groß ist, lässt sich groß denken. Dann könne man, so Lechner, „aus dem größten Schmarrn was machen“. Wenn nicht, dann muss man vor allem auch wirtschaftlich denken und auf eine vernünftige Finanzierung und Förderung zurückgreifen. Hier stehen die Experten aus der Energieberatung, Baufinanzierung, aber auch aus Bau- und Steuerrecht jederzeit gerne zur Verfügung, damit die Gebäude eben nicht zu leeren touristischen Kulissen werden, sondern gelebte Identität und Baukultur bleiben.