Wasserkraft an der Tiroler Achen
Neuer Beschluss des Gesamtvorstandes des Ökomodells in dieser Kontroverse und damit Abschluss einer lange währenden Debatte
Teil der Vision des Ökomodells Achental e.V. ist es, bis 2030 die Energiewende im Kleinen zu schaffen. Dazu zählt auch das ehrgeizige Ziel der Umstellung von mehr als 70% unserer Haushalte und Unternehmen im Bereich Wärme und Strom auf erneuerbare Energien. Gleichzeitig darf die Erschließung (neuer) Energiequellen in keinem Fall mit dem Erhalt einer intakten Natur- und Kulturlandschaft im Widerspruch stehen. Stellt der Naturschutz doch seit Beginn der Vereinsgründung ein hohes interkommunales Anliegen und damit wichtige Aufgabe des Ökomodells dar.
Vor diesem Hintergrund wird auch das Thema Wasserkraft kritisch betrachtet und kontrovers diskutiert. 2012 hatte die Frage nach der Nutzung der Wasserkraft der Tiroler Achen hohe Wellen geschlagen und insbesondere Naturschützer auf den Plan gerufen, aber auch zu Kritik aus der Bevölkerung und Landwirtschaft geführt. So wurde im Januar 2012 eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung der Wasserkraft entlang der Tiroler Achen in Auftrag gegeben, in der auch mögliche Standorte untersucht wurden. Das verheerende Junihochwasser 2013 legte jedoch jegliche Überlegungen zunächst auf Eis. Der Gesamtvorstand des Ökomodells beschloss seinerzeit, die Projektumsetzung ruhen zu lassen und dem Thema Hochwasserschutz Priorität zu geben. Zu gegebener Zeit sollte das Thema wieder aufgegriffen werden.
Dieser Zeitpunkt war gegeben, als 2022 ein Antrag der Gemeinde Übersee und 2023 erneut ein Antrag der Gemeinde Grassau beim Ökomodell auf Prüfung einer Machbarkeitsstudie zur Nutzung eines ökosystemverträglichen Wasserkraftpotenzials in der Tiroler Achen gestellt wurde. Schon vor einigen Jahren hatte der Gesamtvorstand bei einer Exkursion unter anderem das Schachtwasserkraftwerk bei Großweil (Loisach) besichtigt. Galten Kraftwerke wie dieses bisher mit Verweis auf moderne technische Möglichkeiten eher als unbedenklich, so zeigten die Ergebnisse eines bayernweiten, vom Landesamt für Umwelt bei der TU München in Auftrag gegebenen Fischmonitorings alarmierende Ergebnisse: in Großweil konnte eine durchschnittliche, über alle Arten gemittelte Fischmortalität von 9,4 bis 12,8% ermittelt werden; speziell für den Huchen (Donaulachs) sogar zwischen 8 und 24%. Die Ergebnisse belegen eine erhebliche Überschreitung der Grenzwerte.
Doch nicht nur das Fischsterben, sondern auch die Folgen des zur Diskussion stehenden Eingriffs in den Verlauf des Flusssystem der naturnahen Achen geben zu Bedenken. Bei der Tiroler Achen liegt trotz der Dämme ein noch weitgehend intaktes Flussökosystem vor, bei dem Geschiebe von Sedimenten und Gesteinen funktioniert. Abgesehen vom Wehr in Marquartstein bestehen zudem keine Querbauten, was Seltenheitswert in Europa hat. Studien belegen, dass angesichts des Klimawandels eine Zunahme von Starkregenereignissen zu erwarten ist, sodass eine Einstauung zu Energiegewinnungszwecken als höchst bedenklich zu bewerten ist.
Die Gesamtvorstandschaft des Ökomodells Achental e.V. (Bürgermeister und Beisitzer) kam somit einstimmig nach sorgfältiger Gegenüberstellung der zu erwartenden Energieerträge und der erforderlichen Eingriffe in das Ökosystem Fluss zu dem Beschluss, dass die Ausweitung der energetischen Nutzung der Tiroler Achen zur Erzeugung von Strom mittels Einstauung ausgeschlossen wird. Der Stromertrag stehe in keiner Relation zu den Risiken für die Natur und dessen Folgen, sowie zu den erforderlichen Baukosten. Man war sich einig, dass auch die modernste Technik nicht die Grenzen der Physik überwinden kann und es bis heute keine Flusskraftwerke gibt, die signifikant Strom erzeugen und dabei ohne Einstauung und den damit verbundenen negativen Konsequenzen für Natur, Hochwasser etc. auskommen.
Der Beschluss bedeute jedoch auch kein grundlegendes Ablehnen der Wasserkraftnutzung, sondern bezieht sich auf den Neu- und Ausbau von Kraftwerken entlang der Tiroler Achen. Das Wehr in Marquartstein, sowie kleinere, lokale Kraftwerke, die allesamt einen wichtigen Beitrag zur Stromproduktion leisten, haben Bestandsschutz und sollten, wenn sinnvoll, optimiert und in ihrer Leistung gesteigert werden.
Das Achental verfügt über weitaus naturverträglichere und wirtschaftlichere Energiepotenziale, deren Ausweitung und Erschließung zukünftig im Fokus stehen sollten. Eine über 12-jährige Diskussion findet mit diesem Schritt einen Abschluss.