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Standorttreuer Wolf in den Chiemgauer Alpen

Ein Bericht von unserem Wolfsexperten Paul Höglmüller

Immer, wenn sich ein Wolf über einen längeren Zeitraum im Chiemgau aufhält, sorgt seine Anwesenheit für Gesprächsstoff und unterschiedliche Reaktionen. Betrachten ihn manche als einen wichtigen Teil unserer Ökosysteme, löst er insbesondere bei Weidetierhaltern verständlicherweise, Sorgen und oft auch eine klare Ablehnung aus.

Das Ökomodell Achental sieht es zum einen als Aufgabe, die Bevölkerung in unserer Region möglichst objektiv und sachlich zum Thema zu informieren, zum anderen aber auch, die Schutzmaßnahmen für Landwirte und Almbauern aufzuzeigen, sowie die politisch Verantwortlichen aufzufordern, einen rechtlichen Rahmen für die sich abzeichnenden Probleme zu schaffen.

Im Folgenden zunächst ein kurzer ‚Faktencheck‘ über die Rückkehr der Wölfe

Nach der Wende und dem Abbau des Eisernen Vorhangs dauerte es nicht lange, bis sich in der Lausitz in Sachsen wieder Wölfe ansiedelten. Dabei handelte es sich um Zuwanderer aus Westpolen, wo sich nach dem 2. Weltkrieg eine eher kleine Wolfspopulation halten konnte.

Anders als zuvor in der DDR unterlagen diese Zuwanderer den in der EU geltenden strengen Schutzvorgaben. In erstaunlich kurzer Zeit entwickelte sich in Deutschland eine Wolfspopulation mit inzwischen deutlich mehr als 1000 Individuen. Sie stellt heute den Kern der sogenannten „Zentraleuropäischen Population“ dar.

Nach der Erlegung des ‚letzten‘ Wolfes in Bayern im Jahr 1882 hat es bei uns wesentlich länger gedauert, bis wieder ein eindeutiger Wolfsnachweis vorlag: 2006 wurde bei Starnberg ein männlicher Jungwolf aus der „alpinen Population“ von einem Auto erfasst und getötet. Ausgehend von den Abruzzen, wo sie nie ausgerottet wurden, hatte sich Ende des letzten Jahrhunderts in den italienischen und französischen Alpen ebenfalls ein rasch wachsender Wolfsbestand entwickelt. Trotz dieser beiden bedeutenden Wolfsvorkommen im Norden und Süden der Landesgrenze gab es in Bayern bis 2015 nur einzelne Sichtungen und Nachweise von Durchzüglern.

Im vergangenen Jahrzehnt änderte sich die Situation allerdings schnell: 2015 gab es im Grenzgebiet zu Tschechien den ersten Wolfsnachwuchs seit 150 Jahren.

Situation heute in Bayern

Heute gibt es in Bayern bereits sieben bestätigte Rudel, sowie drei standorttreue Wolfspaare bzw. Einzeltiere. Wildkameras, Wolfsrisse und Unfallopfer zeigen, dass zudem sehr regelmäßig Wölfe Bayern durchqueren. Wenn man davon ausgeht, dass ein Wolfsrudel fünf bis zehn Tiere (Eltern, Welpen, Welpen des Vorjahres) umfasst, ist anzunehmen, dass derzeit 40-60 Wölfe dauerhaft in Bayern leben. Der Schwerpunkt liegt im nordbayerischen Raum.

Im Landkreis Traunstein gab es im Gemeindebereich Siegsdorf 2020 zum ersten Mal einen gesicherten Wolfsnachweis. In den darauffolgenden Jahren konnten mindestens fünf weitere Wölfe nachgewiesen werden. 2024 hielt sich dann bereits zum zweiten Mal ein Wolf längere Zeit in unserer Region auf. Der letzte Nachweis stammt vom Jahresende. Da seitdem keine Risse mehr gemeldet wurden, ist es durchaus möglich, dass der Wolf entweder bereits weitergezogen oder sogar verstorben ist. Inwiefern es sich bei dem Ende April in Waging überfahrenen jungen Wolf um dasselbe Tier handelt, wird die Genanalyse zeigen.

Wolfsrisse – eine Einordnung der Zahlen

In Bayern werden derzeit 273.000 Schafe und 26.000 Ziegen gehalten. Anders als ausgewachsene Rinder oder Pferde stellen sie, zumindest was ihre Größe betrifft, aus der Perspektive eines Wolfes ‚ideale‘ Beutetiere dar.

Der Tagesbedarf eines ausgewachsenen Wolfes liegt bei rund vier Kilogramm Fleisch (Haut, Knochen). Gesetz der Annahme, dass sich derzeit mindestens 30 erwachsene Wölfe dauerhaft in Bayern aufhalten, liegt der Bedarf bei immerhin mindestens 120 Kilo pro Tag.

Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre wurden in Bayern jährlich neun Wolfsrisse an Nutztieren nachgewiesen. Dazu kommt eine nicht erfasste Anzahl von Tieren, bei denen ein Nachweis nicht mehr möglich war, der Wolf aber als Verursacher denkbar ist.

Dennoch ist anhand der Zahlen klar erkennbar, dass sich die „Bayerischen“ Wölfe fast ausschließlich von Wildtieren ernähren. Fest steht auch, dass bisher bei einem Bestand von rund 300.000 Schafen und Ziegen Wölfe als Todesursache im Vergleich zu Hunderissen, Blitzschlag, Krankheiten etc. eine untergeordnete Rolle spielen. Was nicht heißt, dass es sich für die Betroffenen dennoch um schwerwiegende Verluste handelt.

Da es im Hinblick auf die Entwicklung der letzten Jahre nicht unwahrscheinlich erscheint, dass die Zahl sesshaften Wölfe in Bayern steigen wird und die der durchwandernden Wölfe zumindest nicht abnimmt, ist es ratsam, Schafe und Ziegen bestmöglich zu schützen. Für kleine Herden, wie in unserer Region üblich, bieten hochwertige Elektrozaunsysteme einen sehr guten, wenn auch keinen absoluten Schutz.Wölfe, die gelernt haben, solche Zäune zu überwinden, stellen eine große Ausnahme dar und können nach derzeitigem Recht auf Anordnung der Kreisverwaltungsbehörden getötet werden.

Was bedeutet der standorttreue Wolf für die Bevölkerung und Landwirte in der Region?

Anfang 2025 teilte das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in einer Pressemitteilung mit, dass „für die Chiemgauer Alpen ein grenzüberschreitendes Wolfsterritorium in Form eines standorttreuen männlichen Wolfs angenommen“ wird. Über einen längeren Zeitraum seien an mehreren Standorten im Achental bis zum Geigelstein und im grenznahen Tirol Ausscheidungen und Spuren desselben Wolfes nachgewiesen worden.

Der Wolf unterliegt dem Naturschutzrecht, wobei die Zuständigkeit für die naturschutzrechtlichen Regelungen bei den Naturschutzbehörden liegt. Für Menschen geht in der Regel keine Gefahr aus. Wölfe sind sehr scheue Tiere und der Mensch bekommt sie kaum zu Gesicht. Auf der Informationsseite der LfU sind die wichtigsten Verhaltensregeln zusammengefasst, wenn es doch zu dem unwahrscheinlichen Fall einer Begegnung mit einem Wolf kommen sollte: https://www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/wolf/index.htm

Von besonderer Relevanz ist jedoch in jedem Fall, der Schutz der Interessen der Almbauern und Landwirte, denn der Wolf nutzt die für ihn am leichtesten zugängige Nahrung, weshalb vor allem Nutztiere auf Außenflächen zu schützen sind.

Für die Almbauern und Landwirte ist daher wichtig, zu wissen, dass die Förderkulisse für Zäune und Herdenschutzhunde aufgrund der festgestellten Standorttreue erweitert wurde. Diese ist einsehbar unter https://www.stmelf.bayern.de/foerderung/foerderung-herdenschutz-wolf/index.html. Dort finden Sie alle wichtigen Informationen rund um das Thema Herdenschutz. Darüber hinaus können Sie sich zur persönlichen Beratung an das AELF Traunstein wenden.